100 jähriges Jubiläum des Holzheimer Reitervereins von 1922
Rede zum Festkommers am 22. Mai 2022
im Brauereiausschank Frankenheim Neuss-Holzheim
von Walter Dickmann
Wir schreiben das Jahr 1922.
Die Rheinprovinz steht unter belgischer Militärverwaltung.
In Neuss mit einer Bevölkerung von 41.000 fällt das nach dem ersten Weltkrieg erstmals 1920 wieder begangene Schützenfest wegen hoher Arbeitslosigkeit und Inflation aus.
In Holzheim, einem bäuerlich geprägten Dorf mit immerhin etwa 3.000 Einwohnern, gab es schon 1919 das erste Nachkriegsschützenfest; Schützenkönig war Peter Rembold, wie ich der Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Bürgerschützenvereins Holzheim aus dem Jahre 1986 entnehme.
Auf meiner Spurensuche zur Gründung unseres Reitervereins im Archiv der NGZ, seinerzeit eine Tageszeitung mit lediglich vier Blättern, die von hoher Politik berichtet und kaum über Lokales, sehe ich in der Ausgabe vom 02.07.1922 den Preis für ein „markenfreies Brot“ mit 10.000 Mark und den für eine “Schrippe“, dem Berliner Begriff für Brötchen, mit 500 Mark angegeben; über die seinerzeitigen Bierpreise stand da nichts.
Aber in Holzheim, da wurde am Sonntag nach Peter und Paul tradi- tionsgemäß Schützenfest gefeiert, erstmals wieder unter Beteiligung der Reiter, die sich als Reiterverein Holzheim zusammengeschlossen hatten.
An der Spitze Heinrich Wintzen vom Buscherhof, dem vormaligen Holzheimer Gestüt, den wir links im Bilde als einzigen auf einem Warmblut sehen, während die namentlich bekannten Reiter Josef Hilgers, Johann Vieten als Standartenführer, Josef Schornstein, Josef Weyer mit Siegerkranz auf der Kappe, Johann Schmitz, Willi Gier, Johann Poschen, Andreas und Peter Lyrmann, Heinrich Gier, ein gewisser Bodewig auf Kaltblütern sitzen und Martin Bremms ganz rechts im Bilde offenbar auf einem Kleinpferd, insgesamt 13 Reiter, welche stolze Zahl!
Man bedenke, dass kriegsbedingt kaum noch Pferde vorhanden waren, geackert wurde in Holzheim mit Ochsengespannen.
Die NGZ, die sich seinerzeit fast ausschließlich mit der Weltpolitik befasste, berichtet auch in den Folgejahren bis zur auf das Jahr 1935 vorgezogenen 100 -Jahrfeier des Bürgerschützenvereins Holzheim mit angeführter Rekordteilnahmerzahl von 500 Schützen nicht vom Holzheimer Schützenfest. Ergiebiger ist da immerhin der zweiseitige Anzeigenteil, dem ich das Schützenfestprogramm des Jahres 1924 entnehmen konnte. Im Jahre 1923 war das Schützenfest übrigens in Holzheim wegen der durch die Inflation in Not geratenen Bevölkerung ausgefallen, wie der Festschrift des Bürgerschützenvereins zum 150-jährigen Jubiläum 1986 zu entnehmen.
Der Holzheimer Heimatforscher Bernd Gerigk, wegen seiner Ver- dienste 2015 mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet, hat durch seine Recherchen in der Tagespresse, das 1826 gegründete Neusser In- telligenzblatt, die Neusser Zeitung sowie die 1874 gegründete NGZ, eine schützenreiterliche Kontinuität seit der Gründung des Bürger- schützenvereins im Jahre 1836 bis zum ersten Weltkrieg belegt.
Das erste Holzheimer Schützenfest 1837 wurde anlässlich des Geburtstags des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. Anfang August begangen. Das Programm ist ausführlich im 1826 gegründeten Neusser Intelligenzblatt dokumentiert:
Nach dem Vogelschießen am Donnerstag, dem 3. August, aus dem der Besitzer von Gut Eppinghoven, Franz Kamper, als König hervorging, gab es am Samstag einen Fackelzug und am Sonntag einem Festumzug, dessen letzte Abteilung die Cavallerie bildete, und am Abend einen Ball.
Joseph Lange, der langjährige Leiter des Stadtarchivs und Experte des Neusser Schützenwesens, zeigte anhand der familiären Verbindung der Familie Kamper zur Stadt Neuss – Franz Kamper heiratete noch im Jahre 1837 eine Rottels – das Haus Rottels machte
Lange zum Neusser Schützenmuseum- in der Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum 1986 auf, dass das seit 1823 begangene Neusser Bürgerschützenfest Vorbild des Holzheimer Bürgerschützensfestes war.
In der Neusser Zeitung aus dem Jahre 1865 lädt per Anzeige der Oberst eines „Reiter-Corps zu Trockenpütz“ für Sonntag, den 5. Februar zur Versammlung bei Hages am Trockenpütz ein und für den darauf folgenden Sonntag zur Generalversammlung.
Mit großer Anzeige vom 24. Februar 1865 lädt das „Reiter-Corps“ für Fastnachtsmontag zu einem Reiterfest mit Gänseköpfen, Ringstechen mit Umzug, Reiten, Festessen, Preisverleihung und Reiterball ein und im selben Jahr für Sonntag den 19. 11. zum Ball bei Mertens in Holzheim.
Der eigene Ball, möglicherweise nach dem Vorbild des Neusser Reitercorps 1828, das in der Neusser Zeitung vom 05.01.1862 zum Ball in die Kaufhaushalle am Markt eingeladen hatte, gehörte offenbar von jeher zum Markenkern der Holzheimer Reiter bis hin in die jüngste Zeit.
Das Ringstechen, das übrigens in der Wierstraet Chronik für den Karnevalsmontag 1475 in Neuss als Ablenkungsmanöver der aus- gezehrten Einwohner für die burgundischen Belagerer belegt ist – danach wurden die Pferde der ausgehungerten Bevölkerung geopfert- ist mehrfach als Programmpunkt des Holzheimer Schützenfestes als in Eppinghoven stattfindend belegt.
Während es für das Jahr 1878 keine Anzeige für das Holzheimer Schützenfest in der Presse gab, wird von einem Unglücksfall am Schützenfest berichtet:
„Der Weichensteller Bertram ist von einem Kirmesreiter überritten und dabei so schwer verletzt worden, dass er noch am Unglücksort seinen Geist aufgab. Er hinterließ eine hochschwangere Frau mit vier Kindern.“
Diese Horrornachricht lenkt unseren Blick auf die Tiergefahr. Diese ist uns als Reitern zwar bewusst, hat uns jedoch bisher gut schlafen lassen, wähnten wir sie doch durch die HaftpfIichtversicherung des Bürgerschützenvereins abgedeckt.
Inzwischen ist sie durch Verordnungsvorhaben auf Landesebene zur Existenzfrage unseres Vereins geworden.
Zum einen gilt sie nach dem uns vorliegenden und bereits heiß diskutierten Entwurf dem Tierschutz und zum anderen dem Schutz der Bevölkerung vor der Tiergefahr. Diente das bereits bestehende und vom Kreisveterinär überwachte Verbot der Sedierung der Pferde angeblich dem Tierwohl, kommen als weitere Restriktionen eine Altersbegrenzung der Pferde auf 20 Jahre, die ihrem Leben des- wegen voraussichtlich ein frühzeitiges Ende setzt – Pferdeverleiher gewähren wohl kein Gnadenbrot — hinzu, sowie eine Traglastbeschränkung auf 15 % des Pferdegewichts, die den Einsatz schwerer Kaltblüter für einige von uns voraussetzt.
Darüber hinaus sollen sich die Reiter qualifizieren und von einer ebenso qualifizierten Person, nicht jünger als 16 Jahre, begleitet werden, was sicher die Kosten noch mehr hochtreibt.
Angesichts solcher Anforderungen sehe ich nicht nur uns Reiter, sondern auch Oberst, Adjutant, Vorreiter, die stolzen Corpsspitzen und die Artillerie bald zu Fuß laufen.
Wir Reiter wollen uns von diesen Anforderungen nicht entmutigen lassen, sondern uns diesen nach Kräften stellen. Zurückblickend auf 100 Jahre des Bestehens des Reitervereins Holzheim, in denen die Altvorderen unter widrigen Nachkriegsbedingungen die Teilnahme am Schützenfest sichergestellt hatten, wollen wir alles daransetzen, die Tradition durch aktive Teilnahme am Holzheimer Schützenfest aufrechtzuerhalten.
In diesem Sinne ein dreifaches „Hufschlag frei!“
Walter Dickmann, Reitersieger 2019-2022